Vor ein paar Wochen habe ich im Newsletter über mein Gruppenangebot zur Leinenführung geschrieben. Es gab viele interessierte Rückmeldungen – und ein paar, die mich still werden ließen. Von Menschen, deren Hunde seit unseren letzten Terminen gestorben sind. Momente, die deutlich machen, wie begrenzt unsere Zeit mit Hund doch ist.
Solche Nachrichten treffen mich jedes Mal. Ich erinnere mich an jeden Hund ebenso an den Menschen daneben. An die gemeinsame Arbeit, an die kleinen und großen Momente, in denen etwas in Bewegung kam. An das, was danach anders war – und an das, was auch ich daraus gelernt habe.
Und sie berühren mich auch auf einer weiteren Ebene – einer, die mit jedem Tag an Tiefe gewinnt. Wer mit mir arbeitet oder mir auf Instagram oder Facebook folgt, kennt meine beiden „Opis“: Gringo und Natas. Sie sind stille Begleiter und Mahner zugleich. Mit ihnen wird mir täglich bewusst, wie wenig selbstverständlich Zeit ist, und dass Zeit kein Besitz, sondern ein Geschenk ist.
Dass inzwischen viele Hunde meiner Kunden gestorben sind, ist kein schrecklicher Zufall. Es ist einfache Mathematik – und der Lauf der Dinge. Ich bin seit über 16 Jahren Hundetrainerin, eine Zeitspanne, die viele Hunde selbst bei bester Gesundheit nicht erreichen. Im Schnitt werden Hunde in Deutschland zehn bis dreizehn Jahre alt. Manche kommen erst als halbe oder ganze Erwachsene. Andere gehen, bevor sie alt werden dürfen.
Diese einfache Rechnung ist mehr als Statistik. Die Wege sind unterschiedlich – zu kurz sind sie immer. So ist das Leben. Doch es bleibt nicht bei dieser einen unbequemen Erkenntnis.
Die Zeit verrinnt
Mit Hunden vergeht Zeit anders. Sie verrinnt schneller, als wir merken. Gerade waren sie noch Welpen oder Pubertiere – und schon sind sie erwachsen. Eben noch voller Energie – und ehe wir uns versehen, sind sie grau und müde.
So wie die Jahre an uns vorbeilaufen, rast für sie das Leben. Ihre Zeit vergeht einfach schneller als unsere. Nicht umsonst heißt es: Hunde lehren uns, dass Eile kein Fortschritt ist. Sie zwingen uns, langsamer zu werden – und erinnern uns daran, dass Nähe kein Tempo kennt. Und wenn wir uns auf das Langsamkeit einlassen, verstehen wir, dass Zeit nicht uns gehört.
Zeit ist kein Besitz, sie ist eine Entscheidung.
Wir wissen, dass alles auf Zeit ist – und leben doch, als gehörte sie uns.
Hunde leben nicht in unserem Zeitkonzept von Morgen oder Später – sie leben jetzt. Und genau darin liegt unsere gemeinsame Zeit. Wie wir mit ihr umgehen, zeigt, wie ernst wir es mit unserer Beziehung meinen – und wie wir Verantwortung verstehen. Sie ist der Prüfstein dafür.
Wie du mit Zeit umgehst, zeigt dem Hund, wer du bist.
Momente wie diese zeigen, was erfüllte Zeit bedeutet
Wenn Gringo aufsteht, dauert es länger. Seine Pfoten suchen Halt, bevor sie tragen. Der Rücken richtet sich auf, langsam, bedächtig. Ein kurzer Atemstoß, dann steht er. Ich warte. Früher hätte ich auch mal gedrängt, jetzt nicht mehr. Das Klackern der Krallen auf dem Holzboden. Das leise Schnauben. Sonst nichts. Der Raum hält still. Als würde er mit uns warten. Als würde die Zeit für einen Moment den Atem anhalten.
Leere Zeit kennen wir alle. Erfüllte Zeit ist das, was wir alle wollen. Aber manchmal verwechseln wir beides. Leere Zeit tarnt sich gern als Zuwendung. Wir glauben, nah zu sein – und sind es nicht. Wir streicheln den Hund während wir reden. Die Hand gleitet über sein Fell, doch sie gehört nicht ihm. Sie gehört dem Gespräch, das wir mit jemandem führen. Der Nervosität, die wir spüren. Der Anspannung, die nach einem Ventil sucht.
Der Hund wird zum Auffangbecken unserer Emotionen, zum Beruhigungsmittel. Es sieht aus wie Nähe, fühlt sich vielleicht sogar so an. Aber es ist keine. Der Hund wird benutzt – nicht vorsätzlich, doch zutiefst menschlich – aus dem Versuch heraus, sich selbst zu beruhigen.
Erfüllte Zeit ist anders. Sie entsteht, wenn du mit deiner Aufmerksamkeit nicht auf der Suche bist, sondern wenn du wirklich bei deinem Hund bist – mit deiner ganzen Präsenz. Sie braucht nur einen Moment wirklichen Kontakts. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Und der Hund? Er spürt den Unterschied. Auch wenn wir es nicht tun. Wer das einmal begreift, kann nicht mehr so tun, als ginge es ihn nichts an. Zeit bewusst zu gestalten – das ist Verantwortung. Weil unsere gemeinsame Zeit begrenzt ist.
Was Zeit mit Verantwortung zu tun hat
Aus dieser Endlichkeit erwächst Verantwortung – eine, die in diesem Kontext ein neues Gewicht bekommt: gut für unsere Hunde zu sorgen. Wirklich gut.
Wir haben sie in unsere Welt geholt, und es ist unsere Aufgabe, sie ihnen zu erklären, damit sie darin sicher leben können. Denn sie sind auf uns angewiesen, ganz existenziell.
Zwei, die sich auf mich verlassen können
Sie in ihrer ganzen Kraft zu sehen und sie dahin zu führen, wo sie diese Kraft entfalten können – das ist unsere Aufgabe. Mit Klarheit, Konsequenz und Verlässlichkeit. Verantwortung bedeutet, sie durch dieses Leben zu führen, ihr Überleben zu sichern – im besten Sinne des Wortes.
Wer meine Texte kennt oder mit mir gearbeitet hat, weiß: Künstliche Harmonie hat darin keinen Platz. Sie gehört für mich nicht zu einem guten Leben.
Wer so tut, als sei alles gut, um Spannungen zu vermeiden, verwechselt Ruhe mit der Sicherheit, die ein Hund braucht. Wer Stille für Stabilität hält, irrt. Wenn wir Konflikten ausweichen, verraten wir den Hund.
Wer Konflikte meidet, meint es bequem mit sich – nicht gut mit dem Hund.
Wir brechen das Versprechen, das wir ihm gegeben haben, als wir ihn zu uns holten – ihn sicher durch unsere Welt zu führen und Verantwortung zu übernehmen für das, was er nicht wählen konnte. Wir lassen ihn orientierungslos zurück.
Statt aufgesetztem Frieden brauchen Hunde Menschen, die sich zeigen, auch wenn’s unbequem wird. Mit guter Kommunikation, Verlässlichkeit und Haltung – alles andere geht auf Kosten des Hundes. Denn einer zahlt immer den Preis.
Eine Frage des Respekts
Mit falsch verstandener Harmonie spielen wir auf Zeit – auf die Zeit unserer Hunde und auf die gemeinsame, die wir mit ihnen haben.
Ein Jahr für uns, sieben für sie, so heißt es. Ob das stimmt, ist nicht der Punkt. Entscheidend ist: Während wir zögern, beschwichtigen, nachgeben, läuft ihre Zeit. Während wir in Trainingsschleifen verharren, weil „Sitz“ für uns bequemer ist als Veränderung, verrinnt ihr Leben. Das ist nicht nur ineffizient, es ist schlicht respektlos.
Die Verschwendung ihrer Zeit gehört zu den größten Anmaßungen im kaputten Hundesystem. Selbst Geduld verliert ihren Wert, wenn sie zur Entschuldigung für Untätigkeit wird. Und dann wundern wir uns, wenn es eng wird.
Respektlos ist, wer Zeit verliert und es Geduld nennt.
Lauscher auf, denn was folgt, will gehört werden
„Ich gebe meinem Hund Zeit.“ Ein schöner Satz. Er klingt tugendhaft, nach Geduld und Fürsorge. In Wahrheit heißt er oft: Ich tue nichts.
Geduld ist wertvoll, ja, aber sie wird missbraucht, sobald sie zur Ausrede wird. Abwarten ist keine Achtsamkeit und auch nicht automatisch Fürsorge. Es ist die vornehme Maske der Bequemlichkeit – getragen mit gutem Gewissen.
Wir vermeiden – und verlieren. Seine Zeit.
Mut zur Klärung
Echte Harmonie entsteht nicht durch Vermeidung, sondern durch Klärung – durch das Aushalten dessen, was unbequem ist, und den Mut, es anzuschauen. Alles andere ist Selbsttäuschung.
Wer klärt, riskiert Unbehagen. Wer vermeidet, riskiert alles.
Zeit ist die knappste und kostbarste Währung im Leben mit Hund. Verantwortung heißt, sie nicht zu verschwenden.
Ehre sie. Komm zur Sache. Geh direkt an, was dein Zusammenleben wirklich belastet. Ein klares „Nein“ heute erspart hundert Wiederholungen morgen. Und hundertmal „Sitz!“ sind hundert verlorene Momente.
Klarheit kommt von klären
Klärung jetzt kostet Zeit, aber sie gibt dir mehr zurück, als sie nimmt. Zeit, in der Vertrauen wachsen kann – und mit ihm das, was Menschen so sehr suchen: echte Harmonie.
Der Hund zahlt mit Lebenszeit
Je älter meine Hunde werden, desto klarer wird mir: Eine der größten Verantwortungen des Menschen ist, keine Zeit zu verschwenden. Nicht mit Methoden, die nicht greifen, und auch nicht mit denen, die nur kaschieren, was eigentlich gesehen werden müsste.
Mut zur Direktheit statt Ausharren in Schleifen – das ist die klarste Form von Respekt.
Der Hund spürt, was wir vermeiden. Er merkt, wenn Nähe nur gespielt ist, wenn Entscheidungen verschleppt oder ausgesessen werden, wenn wir von Unsicherheit geleitet sind.
Der Hund zahlt immer. Die Frage ist nur: Wofür?
Wir unterschätzen ihn systematisch – und das zu seinem Nachteil. Wir täuschen nicht ihn, sondern wir täuschen uns.
Und das Bittere daran ist: Er zahlt den Preis – mit Lebenszeit. Für das, was wir nicht bereit sind zu klären, aus Angst, Bequemlichkeit oder falschem Frieden.
Ab ins kalte Wasser
Zum Anfangen ist es nie zu spät
Und es ist auch nie zu früh. Zeit lässt sich nicht verlängern, aber sie lässt sich gestalten. Und sie ist immer jetzt. Heute ist also besser als irgendwann später. Ohne Hektik – und ohne Ausrede.
Melde dich gern, wenn du meine Unterstützung möchtest. Wir schauen uns an, wo du stehst – und was jetzt dran ist. Gemeinsam machen wir den Weg frei für echte, wertvolle Zeit mit deinem Hund.
Alles mit Hund ist auf Zeit.
Und genau das verpflichtet – zu mehr Mut, mehr Klarheit, mehr Leben.
Übrigens: Ich lese gern mit, was Zeit für dich bedeutet. 🎈


Momente wie diese zeigen, was erfüllte Zeit bedeutet
Zwei, die sich auf mich verlassen können
Lauscher auf, denn was folgt, will gehört werden
Klarheit kommt von klären
Ab ins kalte Wasser
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