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Von Straßenhunden, Macht und Massakern: Das Hundegesetz in der Türkei

Von Straßenhunden, Macht und Massakern: Das Hundegesetz in der Türkei

Seit Sommer 2024 erschüttert ein neues Gesetz die Türkei: Die Tötung von Straßenhunden ist nun erlaubt – und sorgt international für Aufruhr. Ich trage beides in mir: die Liebe zu Hunden und türkische Wurzeln. Vielleicht trifft es mich deshalb doppelt. Dieser Skandal lässt mich nicht los. Wie auch!? Es wird Zeit, Tacheles zu reden. Denn es geht um Hunde und um viel mehr. Die Empörung ist groß. Das Entsetzen auch. So groß, dass man die Fakten kaum noch erkennt.

Warnschild in der Türkei: 'Kedi ve Köpek Çıkabilir' (Katzen und Hunde könnten die Straße kreuzen).Straßenhunde und -katzen sind in der Türkei fester Teil des Stadtbilds – und stehen dennoch vor einer ungewissen Zukunft. Eine Frage der Haltung, die weit über das Tierwohl hinausgeht.

Darum geht es bei dem Gesetz zur Tötung von Straßenhunden

Am 30. Juli 2024 verabschiedete das türkische Parlament mit den Stimmen der Regierungspartei AKP ein Gesetz, das die ohnehin katastrophale Situation der Straßenhunde drastisch verschärft. Rund vier Millionen streunende Hunde leben in der Türkei. Und sie stehen nun unter staatlichem Todesurteil.

  • Das Gesetz zielt darauf ab, die Population der Straßenhunde innerhalb von vier Jahren durch Unterbringung in Tierheimen zu „regulieren“.
  • Die Kommunen sind verpflichtet, Tierheime für 4 Millionen Straßenhunde zu errichten. Eine absurde Vorstellung. Tatsächlich existieren landesweit derzeit 322 Tierheime mit einer Gesamtkapazität von gerade einmal 105.000 Hunden.
  • Hunde, die als gefährlich gelten, deren Verhalten als „nicht kontrollierbar“ eingestuft wird, die an ansteckenden oder unheilbaren Krankheiten leiden oder für die ein Adoptionsverbot besteht, dürfen eingeschläfert werden.

In früheren Entwürfen sollten nicht vermittelte Hunde verpflichtend getötet werden. Diese Passage wurde nach Kritik gestrichen – der Gedanke blieb. Der rechtliche Rahmen steht. Und mit ihm die Gefahr für Millionen Tiere.

Unerwünschte Hunde töten – ganz legal. Genau darum geht es bei diesem Gesetz.

Die Hoffnung auf ein Korrektiv – und ihr Scheitern

Die größte Oppositionspartei CHP kündigte an, gegen den Beschluss vor das türkische Verfassungsgericht zu ziehen – in der Hoffnung auf einen Hinrichtungsaufschub.

Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel erklärte, das Gesetz verstoße gegen die Verfassung und verletze das Recht auf Leben. Kommunen unter CHP-Führung würden es deshalb nicht umsetzen. Zwei Wochen später, am 15. August 2024, reichte die CHP Klage ein.

Doch das Gericht ließ diese Hoffnung platzen: Am 28. Mai 2025 wies das Verfassungsgericht die Klage ab. Die Begründung: Das Gesetz sei verfassungskonform.

Für viele Tierschützer war das ein Schlag ins Gesicht. Viele sehen darin eine juristisch legitimierte Kapitulation vor der Gewalt. Ein herber Rückschlag. Denn eines ist klar: Dieses Gesetz bleibt in Kraft.

Ein Straßenhund mit Ohrmarke schläft vor einer verschlossenen Tür in Istanbul. Ein schlafender Straßenhund als stiller Wächter vor einer verschlossenen Tür – auch dieser Hund hat ein Recht auf Leben.

Zahlen, Politik, Realität

Seit dem Beschluss und besonders nach der abgewiesenen Verfassungsklage steht die türkische Regierung unter massivem Druck: durch die Opposition, durch Tierschutzorganisationen weltweit und durch die internationale Öffentlichkeit. Und das zu Recht. Fest steht, es muss sich etwas ändern. 

 Vier Millionen Streuner – das ist eine gewaltige Zahl. Zum Vergleich: In Deutschland leben etwa 10,5 Millionen angemeldete(!) Hunde. 

In den vergangenen fünf Jahren sollen streunende Hunde in der Türkei über 3.500 Verkehrsunfälle verursacht, mehr als 5.000 Menschen verletzt und 55 Menschen getötet haben. Auch die Zahl der Tollwutfälle sei gestiegen. Die Menschen wollen Sicherheit und Ordnung, so die Argumentationslinie der Befürworter. 

Die Gegner hingegen warnen vor einem legalen Massaker. Denn dass es den Kommunen gelingt, innerhalb von vier Jahren ausreichend Tierheime für vier Millionen Hunde zu errichten, gilt als höchst unwahrscheinlich. 

Bereits 2021 verpflichtete ein Gesetz die Kommunen, Tierheime zu bauen und Kastrationsprogramme zu entwickeln und durchzuführen, um die Population auf humane Weise zu kontrollieren. Doch umgesetzt wurde davon kaum etwas. Die Gründe? Vielfältig. Kurz gesagt: Es hatte keine Priorität.

Straßenhunde gehören in der Türkei zum Alltag dazu.

Ein Straßenhund auf einem Platz in Istanbul, umgeben von Passanten. Straßenhunde im Fokus – was passiert, wenn das Gesetz sie aus dem Straßenbild verschwinden lässt?

Straßenhundekultur, was heißt das eigentlich?

Vier Millionen Straßenhunde mit einer Gesetzeskeule ins Jenseits zu schicken, ist keine Lösung. Es ist ein Armutszeugnis für jede Gesellschaft, die sich für zivilisiert hält. 

Umso erschütternder, wenn man bedenkt, dass es Straßenhunde in der Türkei vermutlich schon seit Menschengedenken gibt. Sie sind seit Jahrhunderten tief verwurzelt mit der türkischen Kultur – und kein lästiges Problem, das man mit brutalen Maßnahmen ausradieren kann. Schon immer waren sie dort, wo auch Menschen leben: Sie ernähren sich von den Abfällen der Zivilisation, wurden aber immer auch gefüttert und gepflegt. Bis heute ist es üblich, dem Straßenhund, der vor dem Laden liegt, etwas zuzustecken oder eine Schale mit Wasser aufzustellen. Für manche Menschen haben die Straßenhunde sogar Kultstatus und sind etwa aus dem Straßenbild von Istanbul oder Izmir kaum wegzudenken. 

Die meisten sind harmlos, aber natürlich nicht alle. Wenn sich Hunde zu Gruppen zusammenschließen, durch die Straßen streifen, Mülltonnen plündern, Revierkämpfe austragen oder jagen, wird das zum echten Problem. Einer über Jahrhunderte gewachsenen Kultur der Fürsorge für herrenlose Hunde steht also immer auch ihre Bekämpfung und Vertreibung gegenüber.

Das wirkt widersprüchlich, doch diese Ambivalenz unterscheidet sich gar nicht so sehr von unserer Haltung zu Tieren hierzulande. Auch bei uns gibt es Widersprüche in der Tierliebe. Warum werden Kühe gegessen, während Hunde im Bett schlafen dürfen? Dazu kann sich jede Person ihre eigene Meinung bilden. Ich schreibe das nur, um zu zeigen: Nichts ist so einfach, wie es scheint.  

Zwei Straßenhunde vor der Kulisse von Istanbul mit Moschee und Bosporus. In Istanbul gehören Straßenhunde seit Jahrhunderten dazu und sind fester Teil der Kultur.

Der Hund im Islam

Die Widersprüchlichkeit im Umgang mit Straßenhunden – mal geschätzte Gefährten, mal bedrohliche Störenfriede – spiegelt sich vielleicht auch im Verhältnis von Islam und Hund wider. Immer wieder wird angeführt, dass der Hund im Islam als „unrein“ gilt und daraus alle Probleme resultieren. Doch so einfach ist es nicht. Der Hund kommt im Koran selbst kaum vor. Und schon gar nicht ruft die wichtigste Schrift der Muslime dazu auf, Hunde zu töten. 

Es gibt jedoch einige Hadithe, die sich mit Hunden beschäftigen und die muslimische Haltung gegenüber ihnen maßgeblich beeinflusst haben. Hadithe sind Berichte über Aussprüche, Anordnungen und Handlungen des Propheten Mohammed. In einigen Hadithen wird erwähnt, dass Hunde als unrein gelten. Ein berühmter Hadith besagt, dass das Geschirr, aus dem ein Hund getrunken hat, siebenmal gewaschen werden soll, wobei eine der Waschungen mit Erde erfolgen soll. 

Andere Hadithe erlauben das Halten von Hunden zu bestimmten Zwecken – etwa zur Jagd oder zum Schutz –, während das Halten als Haustiere ohne Notwendigkeit als unerwünscht gilt. Trotz dieser Einschränkungen gibt es auch Überlieferungen, die die Barmherzigkeit gegenüber allen Lebewesen betonen – einschließlich Hunden. In mehreren Hadith-Sammlungen ist die Geschichte eines Mannes überliefert, der einem durstigen Hund Wasser gibt, woraufhin dem Mann seine Sünden vergeben werden. 

Den Tierhass nur auf den Islam zu schieben, greift zu kurz.

Insgesamt betont die islamische Lehre die Barmherzigkeit und das Mitgefühl gegenüber allen Lebewesen. So gibt es Hadithe, die Tierquälerei klar verbieten, und die überlieferten Geschichten machen deutlich, dass sich die Menschen gegenüber Tieren und anderen Lebewesen verantwortungsvoll verhalten sollen und ihre Taten spirituelle Konsequenzen haben. Tierquälerei schadet der Seele. 

Ein Straßenhund schläft in einer Mulde zwischen Gehwegsteinen in Istanbul. Ein Straßenhund schläft friedlich in einem Loch im Straßenpflaster – ein stilles Bild der Anpassung und des begrenzten Platzes, der ihm zugestanden wird.

Tierschutz in der Türkei – gescheiterte Lehren aus der Vergangenheit

Tierquälerei ist nicht gut fürs Karma. Das hätte die Türkei besser wissen müssen. Zu trauriger Berühmtheit gelangte ein historisches Ereignis: das sogenannte Massaker von Hayirsızada. Es gilt als Beginn der institutionellen Gewalt gegen türkische Straßenhunde. Im Jahr 1910 wurden mehr als 80.000 streunende Hunde aus Istanbul auf die Insel Sivriada deportiert – und dort dem Hungertod überlassen. 

Diesem Massenmord ging der Tod eines britischen Staatsbürgers voraus. Die Regierung des Osmanischen Reiches, ein Vorgängerstaat der heutigen Türkei, beschloss daraufhin, auch unter dem Druck Großbritanniens, die Straßenhunde aus der Stadt zu entfernen. Die erste Aktion, die Hunde auf die Insel zu verbannen, führte zu öffentlichem Protest, woraufhin die Tiere nach Istanbul zurückkehren durften. Die zweite Maßnahme, bei der sie erneut nach Sivriada gebracht wurden, stieß erneut auf heftigen Widerstand. Als kurz darauf ein Großbrand in Istanbul ausbrach, galt das als „Fluch der Hunde“. Auch spätere Katastrophen wie Erdbeben und Kriege brachten viele mit dem massenhaften Tod der Tiere in Verbindung. Fortan wurde die Insel Sivriada im Volksmund Hayirsızada genannt – die „Insel der Ungnade“.

Natürlich spielt auch das Massaker von Hayirsızada in der aktuellen Debatte eine Rolle. Dieses historische Beispiel verdeutlicht die moralische Dimension. Es zeigt, dass das Problem alles andere als neu ist – und dass kurzfristige Lösungen nicht funktionieren. Bereits zwei Jahre später, also 1912, lebten wieder Straßenhunde in Istanbul. Die damaligen Ereignisse legen den Finger in die Wunde: Die massenhafte Tötung der Hunde war ein Beispiel für menschliches Scheitern. Das aktuelle Hundegesetz ist bereits das nächste Kapitel politischen Scheiterns. Die Mahnung der Geschichte? In den Wind geschlagen. Die Tötung von Straßenhunden ist heute nicht nur politisch legitimiert – sie ist gesetzlich vorgeschrieben.

Das kann doch keine Lösung sein!

Auf der Insel Sivriada steht seit 2012 ein Denkmal für die gestorbenen Hunde. Die Urheber des aktuellen Gesetzes haben aus den Fehlern der Vergangenheit offenbar nichts gelernt.

Hayırsızada: Das Schicksal der 80.000 Hunde

Die Ereignisse von 1910 auf der Insel Hayırsızada markieren einen dunklen Wendepunkt im Umgang mit Straßenhunden. Über 80.000 Tiere wurden damals auf die Insel deportiert und ihrem Schicksal überlassen – eine Mahnung, die bis heute nachhallt.

Wenn du tiefer in diese Geschichte eintauchen möchtest: Dieses Video zeigt, was damals geschah – mit Originalfotos und historischen Hintergründen.

Dr. Mine Yıldırım von der Kadir-Has-Universität in Istanbul beleuchtet das goldene Zeitalter der Hunde, die dramatischen Ereignisse des Frühjahrs 1910 und deren Wirkung bis in die Gegenwart. Weiter unten erfährst du, welche innovativen Lösungen die Stadt Izmir heute verfolgt.

Eine Illusion von Sauberkeit und Ordnung

Auf Versäumnisse in der Vergangenheit wird in der aktuellen Debatte immer wieder hingewiesen – auch auf solche der jüngeren Zeit. Denn natürlich gab es Alternativvorschläge zum neuen Gesetz. Mitglieder von Untersuchungskommissionen, Wissenschaftlerinnen und andere Fachleute hatten längst praktikable Lösungen vorgelegt, darunter systematische Programme zur Kastration und Sterilisation. Doch die Regierungspolitik ignorierte diese Konzepte und verfolgt stattdessen eine Linie der Zerstörung und Ausbeutung, die auch die Ausrottung von Tieren einschließt. Wie so vieles, was von dieser Regierung kommt, zielt das auf Kontrolle und Machterhalt ab. Die Bedürfnisse anderer zählen nicht. 

Die Tötung von Straßenhunden ist in der Türkei längst Realität. Das Hundegesetz hat den moralischen Damm gebrochen. Es zeigt, wie politische Macht sich moralisch absichert. Straßenhunde stehen im Fadenkreuz – rechtlich, politisch und gesellschaftlich. Die öffentliche Stimmung hat sich gefährlich verschoben: Gewalt wird nicht nur gerechtfertigt, sondern staatlich legitimiert. Und ausgeführt von denen, die lieber beseitigen als begreifen wollen.

Gewalt gegen Tiere bleibt selten folgenlos. Zahlreiche Studien belegen, dass sie mit anderen Gewaltformen eng verknüpft ist. Wer Tiere entwertet, verroht auch an anderer Stelle schneller. Kriminologen sprechen von „Link Violence“ und meinen damit: Wer auf Hunde tritt, schlägt irgendwann auch anders zu. Die Schwelle zur Gewalt sinkt – nicht nur gegenüber Hunden. Manche Fachleute warnen bereits vor einer besorgniserregenden Entwicklung: dass sich mit dem neuen Gesetz ein gesellschaftlicher Nährboden für ein neues Täterprofil bildet – und dass das Klima der Legitimation, das gerade entsteht, langfristig auch den Umgang der Menschen untereinander verändert.

Das Gesetz ist nicht nur gefährlich, sondern auch ineffektiv. Töten schafft keine Lösung, im Gegenteil: Es kann die Zahl der Straßenhunde sogar erhöhen. So führt die massenhafte Tötung zwar kurzfristig zu einem Rückgang, mittelfristig aber zu neuem Anstieg. Denn was nicht vollständig erfasst wird, vermehrt sich. Nur systematische Kastration kann diesen Kreislauf durchbrechen. Ohne flächendeckende Programme, Transparenz und Aufklärung kann das Gesetz sein Ziel, die Reduktion der Straßenhundepopulation, kaum erreichen. Das Leid bleibt – nur eben anderswo.

Eine türkische Kommentatorin ordnete das beschlossene Hundegesetz als weiteres Glied in eine lange Kette von Missständen ein. Schon immer seien Hunde durch Menschen ausgebeutet und misshandelt worden, sei es bei der Nutzung als Jagdhunde, in Tierversuchen, bei brutalen Wettkämpfen und vielem mehr. Dahinter stehe das fundamentale Missverständnis, dass der Mensch mit dem Hund machen könne, was er wolle. Die aktuellen Entwicklungen sind Ausdruck eines übergeordneten Problems – die Spitze eines Eisbergs, dessen Wurzel tief in unserem Verhältnis zu Tieren liegt. Und sie hat Recht: Dieses Gesetz ist nur ein weiterer Tiefpunkt in einer langen Geschichte der Missachtung der Würde und des Lebensraums von (Straßen)Tieren. 

Das aktuelle Gesetz ist eine moralische Bankrotterklärung.

Das bringt es auf den Punkt, schmerzhaft klar. Längst geht es um mehr als Tierschutz. Der Umgang mit den Straßenhunden ist zu einem Symbol für größere kulturelle und politische Konflikte in der Türkei geworden. Das Gesetz schafft allenfalls eine Illusion von Sicherheit und Ordnung – und verdrängt das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Rechte anderer Geschöpfe der nichtmenschlichen Welt. Das steht exemplarisch für eine politische und menschliche Haltung, die auf Autorität und Dominanz setzt. Und die wird gerade vielerorts sichtbar. Nicht nur in der Türkei.

Ein Straßenhund schläft unter einem Fenster mit türkischer Flagge. Ein Symbolbild: Der Hund als Teil der türkischen Geschichte und Kultur.

Izmir: Das Recht auf Leben – auch für Straßenhunde

Wie geht es nun weiter? Die Verfassungsklage blieb erfolglos, das Gesetz gilt weiter. An anderen Stellen sucht man dennoch nach Möglichkeiten, trotz des Gesetzes zu vernünftigen Lösungen zu kommen – auch, weil die Gemeinden nun stärker in die Pflicht genommen werden. Sie stehen unter Druck, die Vorgaben möglichst schnell und nicht erst 2028 umzusetzen. Andernfalls drohen empfindliche Geldstrafen für jedes Straßentier, das nicht eingesammelt oder wieder freigelassen wird. 

Die Stadtverwaltung von Izmir an der türkischen Ägäisküste hat einen umfassenden 5-Jahres-Aktionsplan (2024-2029) zum Management der Streunerhundepopulation entwickelt und im September 2024 veröffentlicht. Er basiert auf einem klaren ethischen Prinzip: dem Lebensrecht für alle Tiere – sowie dem sogenannten One-Health-Ansatz, der Mensch-, Tier- und Umweltgesundheit als untrennbar miteinander verbunden denkt.

Geplant ist eine flächendeckende Bestandsaufnahme der Ist-Situation – gemeinsam mit Tierärzten und Freiwilligen. Darauf aufbauend sind Sensibilisierungsmaßnahmen, Impfungen und Sterilisationen vorgesehen, außerdem soll die Adoption von Straßenhunden gezielt gefördert werden. Zudem sind sechs regionale Rehabilitationszentren, eine digitale App für Tierhilfe, ein transparenter Monitoring-Plan sowie umfangreiche Bildungsmaßnahmen geplant.

Die Stadt will damit sowohl die Bedürfnisse der Tiere als auch die der Gemeinschaft berücksichtigen. Izmir ist mehr als ein Hoffnungsschimmer – es ist ein konkretes,  durchdachtes Gegenmodell. Und es zeigt: Es geht auch anders. 

„Wir sind für alle da“, sagte Cemil Tugay, Bürgermeister von Izmir, und bezog sich auf das Recht auf Leben – auch für Straßenhunde. Um die Maßnahmen gezielt und effektiv umzusetzen, wurde das Stadtgebiet in sechs Regionen unterteilt. Der Plan könne auch anderen Städten als Vorbild dienen, sagte Tugay. Das Dokument ist öffentlich zugänglich und kann hier über die offizielle Website der Stadt Izmir eingesehen werden.

Ich wünsche mir, dass Izmir vielen anderen Gemeinden in der Türkei ein Vorbild wird. Mich beschäftigt das Schicksal der Straßenhunde, und ich weigere mich, die Hoffnung aufzugeben. Gerade jetzt, nach der Gerichtsentscheidung, sind die mediale Aufmerksamkeit aus dem In- und Ausland, die vielen Debatten in der Türkei und tragfähige Aktionspläne umso wichtiger. Sie können noch immer den Beginn eines Perspektivwechsels bedeuten. Vielleicht kann sich damit in kleinen Schritten etwas ändern in Richtung eines stärkeren ökologischen und sozialen Bewusstseins. Ich sehe jeden Beitrag zum Thema als ein Zeichen dafür, welche Werte unseren Umgang mit der Umwelt und miteinander prägen sollten. 

Ich glaube, dass die Türkei an einem Scheideweg angekommen ist. Die Situation zeigt exemplarisch, dass wichtige Grundsatzentscheidungen anstehen, bei denen es um weit mehr geht als um Straßenhunde. Dieses rückschrittliche und herzlose Gesetz symbolisiert nicht zuletzt den Missbrauch menschlicher Macht. Deshalb geht es für mich bei diesem Thema um zweierlei: Zum einen um die nun ganz konkret bedrohten Tiere und die durch mediale Stimmungsmache angeheizte Feindseligkeit, den resultierenden Tierhass. Zum anderen geht es um Respekt und Fairness für das Gegenüber – für das menschliche und tierische Leben. Darum, ins Gespräch zu kommen und Lösungen zu finden, die möglichst viele Bedürfnisse berücksichtigen. Das ist nicht immer einfach, aber immer richtig. Und immer wertvoll.

Was wir brauchen: Respekt und Fairness – für alle.

Ein Straßenhund am Bosporus mit Istanbul im Hintergrund. Gelassen am Bosporus – ein Symbol für das Recht auf Leben und die Hoffnung auf Veränderung für Straßenhunde in der Türkei.

Was können wir tun?

Auf den großen Petitionsplattformen gibt es zahlreiche Petitionen zum Thema. Es kann nicht schaden, dort zu unterzeichnen. Auch wenn das Verfassungsgericht die Klage abgelehnt hat, der internationale Druck bleibt wichtig. Wir können außerdem die Menschen im Tierschutz vor Ort ganz konkret unterstützen – mit Geld, Vermittlungshilfe und unserer Solidarität. Spenden sind übrigens auch eine schöne Geschenkidee und können sogar steuerlich abgesetzt werden. 

Die Tötung von Straßenhunden in der Türkei darf nicht zur Normalität werden. Jetzt erst recht zählt jeder Beitrag, um dagegenzuhalten. 

Wie immer finde ich es auch wichtig, ins Gespräch zu kommen und andere für das Thema zu sensibilisieren. Vielleicht hilft dir mein Blogartikel dabei, ein paar Fakten parat zu haben. Du kannst deutlich machen, dass die Gewalt gegen Straßenhunde seit der Verabschiedung des Gesetzes massiv zugenommen hat. Berichte über brutales Einfangen, verheerende Zustände in Tierheimen, grausame Misshandlungen und Tötungen häufen sich – und bleiben oft ohne Konsequenzen für die Täter, die sich im Recht wähnen.

Und manchmal kannst du ganz konkret etwas bewirken: Vielleicht überlegt jemand in deinem Umfeld, einen Hund aufzunehmen? Sprecht darüber, ob ein Hund aus der Türkei infrage kommt. Ich unterstütze euch gern dabei. Viele Fragen lassen sich schon vor der Adoption eines Tierschutzhundes klären. Hier kannst du mich kontaktieren.

Ein Hinweis auf eine engagierte Mitstreiterin: Esma Arslan vom Hamburger Verein Tierschutz in Not e. V. engagiert sich in einem Tierheim in Sorgun, etwa 250 Kilometer östlich von Ankara, und vermittelt auch selbst Hunde von dort. Zusätzlich setzt sie sich aktiv gegen Tiermissbrauch ein. Wenn du mehr erfahren oder selbst aktiv werden möchtest, melde dich gern bei ihr.

Die Türkei entscheidet gerade, welches Land sie sein will. Und wir entscheiden mit, welche Welt wir möglich machen wollen.

Wer hier schreibt?
Ich bin Gülay Ücüncü – Hundetrainerin und Verhaltensberaterin aus Hamburg. Und wenn du hier liest, bist du genau richtig.

Seit über 15 Jahren unterstütze ich Menschen mit Hund. Wenn es nicht gut läuft, mache ich den Strategiewechsel möglich und eröffne neue Perspektiven für ein gelingendes Leben mit Hund. Klar, ehrlich und ohne faule Kompromisse. Mehr über mich erfährst du hier

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