Klare Kommunikation mit Hund

Neulich erlebte ich auf der Straße eine Frau mit einem kleinen Terrier an der Leine. Die Frau zog in die eine Richtung, der Terrier in die andere. Alles an ihm sagte: Ich will nicht weiter! Wortlos, aber glasklar. Sogar sein Fell schien in die andere Richtung zu zeigen. Umso wortreicher versuchte die Frau, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. „Elvis, jetzt trödel doch nicht so! Elvis, bitte!“, flehte sie. „Wollen wir jetzt mal los?“ Sie zog an der Leine, Elvis machte zwei Schritte, blieb dann wieder stehen. „Ich habe dir doch schon hundertmal gesagt, dass wir so zu spät kommen! Och Elvis, wenn du jetzt nicht kommst …“ 

Ich guckte fasziniert zu. Hunde sehen die Welt naturgemäß ganz anders als Menschen. Elvis „trödelt“ natürlich nicht und er hat auch keinen Begriff vom Zuspätkommen. Aus irgendwelchen Gründen wollte er entweder gar nicht gehen, oder er wollte nicht hier gehen. Doch ohne das Verständnis für seine Botschaft konnte seine Besitzerin ihm in dieser Situation nicht angemessen begegnen. Dafür sollte sich der Mensch aber unbedingt die Zeit nehmen, denn er erwartet umgekehrt ja auch, dass der Hund „Zeit für ihn hat“, sich ihm gelassen anvertraut und nach ihm richtet. Dazu gehört eine gelingende Kommunikation. 

Wenn ein Individuum ein anderes von sich oder den eigenen Anliegen überzeugen will, braucht es vor allem eins: Klarheit. Sie ist einerseits das Ziel von Kommunikation („ich möchte dir meine Botschaft so gut wie möglich verständlich machen“), andererseits aber auch der Schlüssel dazu („mit einer klaren Kommunikation verstehst du mich besonders gut“). Klarheit hat einen großen Einfluss auf die Qualität von Beziehungen. Das gilt für zwischenmenschliche Beziehungen ebenso wie für die Beziehung zwischen Mensch und Hund. 

„Klare Kommunikation enthält nur die Kernbotschaft.“

An Klarheit ist aber auch Kompetenz erkennbar. Wer nur nebulös herumschwurbelt, wird nicht verstanden werden. Gerade in der heutigen Zeit mit so vielen jederzeit zugänglichen Informationen und Meinungen ist Klarheit oft ein Alleinstellungsmerkmal. Übrigens eins, nach dem sich viele Menschen sehnen. Es ist sowieso immer alles schon so kompliziert! Das ist auch ein Grund, warum Menschen mit einfachen politischen Botschaften Vertrauen entgegengebracht wird – ob die Botschaft nun inhaltlich stimmt oder nicht. Eine klare Ansage kann nämlich durchaus falsch sein. Nur weil sie klar ist, ist sie nicht automatisch wahr.

Die Fakten- und Meinungsdichte der heutigen Zeit widerspricht einerseits dem menschlichen Bedürfnis nach Klarheit. Andererseits ermöglicht die Verfügbarkeit von Informationen aber auch gerade erst Klarheit. Dazu hilft es, auch einmal außerhalb der gewohnten Denkmuster zu denken, sich auch einmal auf etwas Ungewöhnliches einzulassen, zumindest gedanklich. Nicht zufällig bedeutet das Wort Klarheit im Wortsinn (von lat. clarus) so viel wie hell, geistig klar, deutlich, verständlich. Es steckt also das Sehen genauso darin wie das Bewusstwerden und das Verstehen.

„Hunde sehnen sich nach klaren Menschen.“

Vermutlich noch mehr als wir Menschen sehnen sich unsere Hunde nach Klarheit. Da sie in der Menschenwelt leben, muss ihnen vieles noch komplizierter und rätselhafter erscheinen als uns. Wir sind in der Verantwortung, ihnen mit Klarheit durch dieses Rätsel zu helfen. Hunde sehnen sich nach klaren Menschen. Schließlich sind sie es selbst auch – doch dazu später mehr.

Das Mittel zum Erreichen von Klarheit ist Kommunikation – sorgfältige, respektvolle Kommunikation, die auf das Gegenüber zugeschnitten ist. Wenn du in deiner Kommunikation etwas zu bieten hast und sie so verpackst, dass dein Hund dich versteht, wirst du ihn erreichen. Denn Klarheit erzeugt auch Vertrauen, da sie Sicherheit beinhaltet, im Sinne von: „Bei dir weiß ich, woran ich bin.“ Das ist gerade für einen Hund wichtig. Es bleibt ihm ja nichts anderes übrig, als dem Menschen zu vertrauen – und das sollte dieser nicht ausnutzen. Zugleich hat der Mensch ein Interesse daran, auch dem Hund vertrauen zu können. Dazu darf er sich mit der Kommunikation des Hundes so vertraut machen, dass er ihn einschätzen kann.

Die sieben Feinde klarer Kommunikation

Klarheit beginnt in der Kommunikation, aber sie steht in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Faktoren:

Angst
Wer Angst hat, schweigt. Das kann Angst vor physischer Gewalt sein, aber auch Angst vor dem Mangel an Sicherheit.

Harmoniesucht
Hinter dem Wunsch, den Frieden zu wahren, steckt oft die Sorge, nicht mehr gemocht zu werden. Das bezieht sich nicht nur auf Mitmenschen, sondern auch auf Hunde. Keine Sorge – eine klare Ansage führt definitiv nicht dazu, dass dich dein Hund nicht mehr mag!

Kein Ziel
Eine klare Argumentation braucht ein Ziel. Was ist wichtig? Welches Ergebnis soll die Kommunikation haben?

Keine Struktur
Ohne Struktur kann Kommunikation nicht gelingen. Sie ist die Grundbedingung für eine klare Botschaft. Um Struktur zu schaffen, kann es helfen, eine gedankliche Pyramide zu bauen: Das Wichtigste kommt nach oben, andere Aspekte bilden den breiteren Teil der Pyramide.  

Keine klare Botschaft
Das Wesentliche steckt in der Spitze der Pyramide. Klare Kommunikation enthält nur die Kernbotschaft. Sie entspricht dem, was du sagen würdest, wenn du nur einen Satz verwenden könntest. Um alles andere geht es jetzt nicht, denn es verwässert die Klarheit.

Falsche Vorannahmen
Denke dir dein Gegenüber als ein leeres Blatt Papier. Allzu oft wird Kommunikation schwierig, weil sie schon mit Vorannahmen beginnt. Wenn du es schaffst, dir solche unwillkürlichen Bewertungen („du weißt doch, dass …“, „es kann doch nicht so schwer sein …“) deines Gegenübers bewusst zu machen und außen vor zu lassen, kannst du klarer kommunizieren. Eingeschliffene Bewertungen führen dazu, dass aus dem Versuch der Kommunikation schnell ein Schlagabtausch aus Verteidigung und Angriff entstehen kann.

Blabla in der Aussage
Bevor du dich – aus der Sicht des Hundes – umständlich ausdrückst, schweige lieber. Heiße, verbale Luft kannst du dir auch einfach schenken – der Hund versteht den Inhalt nicht! Auf diesen Punkt werde ich gleich noch etwas näher eingehen.

„Der Gestaltungsraum klarer Kommunikation ist der Dialog.“

Das Eins-zu-eins des Dialogs ist der Austragungsort für gelingende Kommunikation. Anders als vor einer Gruppe kannst du dich voll auf das Gegenüber konzentrieren, auch die leisen Töne wahrnehmen. Und dich selbst in Klarheit üben. 

Konkret gibt es vier Grundregeln klarer Kommunikation:

Aussagen statt Fragen

Der Klassiker. „Elvis, wollen wir jetzt mal los?“ ist Ausdruck dieser verzweifelten Strategie. Kinder, die schon sprechen können, antworten in so einer Situation dann manchmal ganz ehrlich: „Nein, will ich nicht!“ Sie sind schließlich gefragt worden. Hunden geht es nicht anders, sie kommen einfach nicht, welch Überraschung. Anstelle einer Frage eine Aussage zu machen, signalisiert hingegen souveränes Verhalten, völlig unabhängig davon, ob der Hund möchte oder nicht. Der Mensch hat deutlich gemacht, dass er möchte.

Kommentieren statt diskutieren

Wenn ein Hund nicht das tut, was sein Mensch möchte, wird oft diskutiert und verhandelt. Wenn nicht das, dann zumindest dies … Na gut, Kompromiss, dann halt so … Aber es ist ein Fehler, sich auf der Inhaltsebene in eine Diskussion zu begeben. Der Hund möchte ja gerade eine klare Ansage von einem verlässlichen Menschen. Das Verhandeln signalisiert Unsicherheit – und Unsicherheit ist etwas, das kein Hund möchte. Statt zu diskutieren ist es besser, klar Position zu beziehen. Das macht es für den Hund eindeutig zu verstehen, was von ihm verlangt wird. Und er kommt gar nicht erst in die Situation, in der er seine Zustimmung verweigern könnte. Was nicht heißt, dass er diese Position gutheißt. Klare Kommunikation erfordert manchmal auch, die Gefühle vom Verhalten zu trennen. Es ist in Ordnung, dass der Hund mal nicht einverstanden ist. Dafür kannst du Verständnis haben, doch das Verhalten trotzdem in Form von einer alternativlosen Forderung nicht unkommentiert lassen.

Konsequent sein statt drohen

„Wenn du jetzt nicht …, dann …“ Gibt’s was hinter die Löffel? Gewalt anzudrohen ist keine Option. Aber unabhängig davon setzt auch eine nicht wahrgemachte Drohung die Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Leere Drohungen sind nie eine gute Lösung. Entweder führen sie zu Angst und Misstrauen – oder zu Unklarheit: Woher soll denn der Hund nun wissen, wann es ernst gemeint ist und wann nicht?

Klar loben

Wenn der Hund etwas gut gemacht hat, darf er gelobt werden – und zwar in aller Klarheit. Am besten so, dass er eindeutig versteht, wofür das Lob ist. Ein ernstgemeintes, zielgerichtetes Lob ist eine Form der Wertschätzung für etwas Geleistetes. Das kann eine starke Wirkung haben.

Dialoge mit Hunden

Ein Dialog kann auch nichtverbal sein. Mit einem Hund als Gegenüber muss er das sogar. Nimm dir Zeit, schalte alle Ablenkungen ab und lass dich richtig auf das Tier ein. Das dauert vielleicht länger als in einem Gespräch mit einem Menschen – in einen Dialog treten kann aber auch ein Hund. Lass diese Art von verlangsamter Kommunikation zu, auch wenn es in der Hetze der heutigen Zeit schwerfällt. Spür dich ein und mach dich offen für das, was dein Hund dir sagen will. Vielleicht führt das gedrosselte Tempo auch dazu, dass du eine neue Gesprächsqualität wahrnehmen kannst. Vielleicht musst du nicht schon beim Zuhören überlegen, was du entgegnest. Das ist nämlich auch eine Ursache für Unklarheit im Gespräch: Dass das Ziel des Zuhörens nicht das Verstehen, sondern die nächste eigene Antwort ist.

„Gute Gespräche sind immer ein Nehmen und Geben.“

Klarheit erreichst du auch durch deine eigene Offenheit für die Unterschiede zwischen dir und deinem Hund. In funktionierenden Partnerschaften ergänzen sich die Partner in all ihrer Unterschiedlichkeit, und ihre Gespräche sind vom Interesse an den Unterschieden zum anderen gekennzeichnet. Gute Gespräche sind immer ein Nehmen und Geben – und das ist auch ein Ziel für den Dialog mit deinem Hund.

Warum erscheint vielen Menschen hundliches Verhalten dann oft so unverständlich? Wenn ein Hund „wie aus dem Nichts“ eine unerwartete Verhaltensweise zeigt, hat der Mensch in aller Regel nicht genau genug hingeschaut. Nicht immer sind es laute Signale. Auch Hunde kommunizieren leise – über Mimik, Gestik, Körperhaltung, Bewegung und Berührung. Ihre Menschen dürfen lernen, auch die leisen Töne zu hören, die kleinen Bewegungen zu sehen.

Körpersprache verstehen lernen

Menschen wie Hunde drücken durch ihren Körper Emotionen aus. Das geht ganz automatisch. Menschen können diese Äußerungen bis zu einem bestimmten Maße unterdrücken. Andere Menschen lassen sich dadurch unter Umständen täuschen, Hunde jedoch nicht. Sie lesen unsere Körpersprache und wissen, wie es uns geht. Schließlich tun sie den ganzen Tag nichts anderes, als ihre Menschen und die Umwelt zu beobachten und Informationen zu sammeln. Ihnen entgeht keine noch so kleinste Bewegung, keine minimale Änderung in der Körperhaltung. Die Reaktion eines Hundes spiegelt aber auch wider, wie authentisch wir körpersprachlich auf sie eingehen.

Anders gesagt: Am überzeugendsten sind Menschen für ihre Hunde, wenn ihre Körpersprache mit ihrer Botschaft übereinstimmt. Solche Menschen werden für Hunde – für andere Menschen übrigens auch – glaubwürdig. Sie signalisieren: Bei mir weißt du, woran du bist. Andersherum verstellen Hunde ihre eigene Körpersprache nicht. Sie sind nicht doppeldeutig, sondern echt und authentisch. Und meist sind sie auch gar nicht so schwer zu lesen. Siehe Elvis, der Terrier, der mit seinem ganzen Körper und in aller Eindeutigkeit zeigte, was er wollte.

Weniger ist mehr

Der Besitzerin von Elvis fällt das offenbar schwer. Was sie ihm schon „hundertmal“ in formvollendeten Sätzen gesagt hat, wird Elvis natürlich auch beim 101. Mal nicht begreifen. Dazu müsste sie sich ihm ganz anders verständlich machen. Andererseits müsste sie aber auch erkennen, welche Botschaft ihr Hund eigentlich hat, was er mit seiner Körperhaltung ausdrückt und was dahintersteckt. Ihre Aufgabe besteht also gleich in zweierlei: erstens die eigene Botschaft klar machen, zweitens die Botschaften des Hundes verstehen lernen.

Was die Klarheit betrifft, sind Hunde übrigens gute Lehrmeister. Ähnlich wie Kinder stellen sie besonders hohe Ansprüche an die Klarheit in der Kommunikation. Sie spiegeln unklare Kommunikation und führen es uns – durch ihre Reaktion darauf – oft augenblicklich vor Augen. Und wie bei Kindern hilft auch bei Hunden: Je klarer das Argument, desto überzeugender die Botschaft. Viele Argumente unklar vorgetragen sind weniger wirksam als ein klares.

„Klarheit ist der Stoff, aus dem Vorbilder gemacht sind.“

Mit klarer Kommunikation tut ein Mensch einem Hund einen großen Gefallen. Mit Klarheit kommt ein Hund besser durch die Menschenwelt, und sie bietet ihm Orientierung in der Beziehung zum Menschen. Klarheit ist der Stoff, aus dem Vorbilder gemacht sind – auch und gerade für Hunde. Zugleich können wir Menschen uns in Sachen Klarheit von Hunden auch so einiges abschauen. Sie wissen oft viel besser, was im Leben wesentlich ist, und tun es ganz eindeutig kund. Wenn wir uns die Mühe machen, sie verstehen zu lernen.

Und Elvis? Seine Besitzerin hob den kleinen Terrier schließlich schimpfend hoch und trug ihn weg. Als sie schon um die Ecke gebogen waren, hörte ich noch: „Immer muss ich dich tragen!“